VON MAX BECKMANN ZU WILHELM LEHMBRUCK
13. Oktober 2024 – 09. Februar 2025
Soziale Spannungen, politische Kämpfe, gesellschaftliche Umbrüche und die existenzielle Erfahrung des Ersten Weltkriegs prägen das Leben im Deutschland der 1910er- bis 1930er-Jahre. In einer neuen Themenausstellung wirft das Franz Marc Museum einen Blick auf das Kunstschaffen dieser Epoche. Rund 50 Exponate, darunter bedeutende Grafikserien, Skulpturen und Gemälde von Künstlerinnen und Künstlern wie Max Beckmann, Otto Dix, Käthe Kollwitz, Else Lasker-Schüler, Ernst Ludwig Kirchner und Wilhelm Lehmbruck, halten der damaligen Gesellschaft schonungslos den Spiegel vor. Ihre Werke sind wie Fragmente eines historischen Gesamtbildes, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln den Zustand der Gesellschaft in Deutschland beleuchten.
Im Fokus der Ausstellung steht das Erleben des Ersten Weltkriegs, das viele Kunstschaffende dazu veranlasst, nach neuen Ausdrucksformen zu suchen, um die veränderte Wirklichkeit abzubilden. Der Krieg hatte tiefe Spuren hinterlassen, und die sozialen Missstände wurden unübersehbar. Vor allem das verarmende Proletariat litt unter politischer Instabilität und gesellschaftlicher Ungleichheit. Künstlerinnen und Künstler griffen diese menschlichen Schicksale auf: In den Werken von Grosz bis Kollwitz sind Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und der tägliche Existenzkampf in die Gesichter der Figuren eingeschrieben. Zugleich diente die Kunst als Mittel zur Verarbeitung der eigenen traumatischen Erfahrungen, wie sie sich in den Darstellungen von Dix und Lehmbruck eindrücklich zeigen.
Doch die Arbeiten dieser Zeit beschränkten sich nicht nur auf die Darstellung von Krieg und sozialem Elend. Die florierende Vergnügungsindustrie mit ihren Zirkussen, Jahrmärkten und Varietéshows bot die Möglichkeit, den Erinnerungen an die Kriegstraumata zu entfliehen und wurde ebenfalls zu einem beliebten Bildthema. Diese Orte der Zerstreuung waren zugleich Sinnbilder für eine zerfallende gesellschaftliche Ordnung. Max Beckmanns oder Ernst Ludwig Kirchners Darstellungen von Gauklern, Akrobatinnen und Außenseitern symbolisieren diesen Bruch mit bürgerlichen Normen und rücken damit gesellschaftliche Randfiguren in den Fokus.
Ergänzt wird die Ausstellung durch Anselm Kiefers Vitrine Mohn und Gedächtnis aus seiner Werkserie Opus Magnum. Kiefer gehört zur ersten Generation deutscher Künstler, die sich unmittelbar mit der schwierigen Geschichte des eigenen Landes und mit deutscher Identität nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Holocaust auseinandersetzt. Das Werk thematisiert den Umgang mit kollektiver Erinnerung, mit Vergessenem und Verschütteten und appelliert an die Verantwortung der Nachgeborenen. Kiefers Kunst zeigt, dass die künstlerische Auseinandersetzung mit Kriegstraumata und der Vergangenheit zeitlose Themen sind, die über das frühe 20. Jahrhundert hinaus bis in die unmittelbare Gegenwart reichen.
Otto Dix, Der Krieg, Blatt 4 der 1. Mappe: Trichterfeld bei Dotrien von Leuchtkugeln erhellt, (Detail) 1924, Radierung, Stiftung Etta und Otto Stangl, Franz Marc Museum
Max Beckmann, Jahrmarkt, Blatt 8: Die Seiltänzer (Detail), 1921, Radierung auf Velin, Stiftung Ahlers Pro Arte, Franz Marc Museum
Käthe Kollwitz, Bauernkrieg, Blatt 1: Die Pflüger, (Detail) vor 1907, Radierung/Aquatinta, Stiftung Etta und Otto Stangl, Franz Marc Museum