Hier stellen wir Ihnen Werkgruppen aus unserer aktuellen Ausstellung
»Franz Marc. Die Skulpturen« vor.
Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Moritzburg in Halle an der Saale.
Die Chimäre ist die letzte Skulptur Franz Marcs und es ist die einzige Plastik aus Stein, die er vollendete. Marc hat die mandelförmigen Augen dieses Fabelwesens durch Intarsien in einem gelblichen Stein hervorgehoben und damit das Fremde, Märchenhafte der Phantasiegestalt betont. Trotz ihrer exotischen Erscheinung hat die Chimäre einen anatomisch überzeugenden Körper und bewegt sich stimmig.
Die Chimäre, die Marc selbst schuf, erinnert an viele Tiere. Der Kopf und einzelne Körperpartien könnten die eines Äffchens, eines Hundes oder eines Pferdes sein. Die organische Verschmelzung dieser unterschiedlichen Anatomien gelingt Marc nicht zuletzt mit der kubistisch-abstrahierenden Formensprache, die seine Arbeit 1914 prägte.
Franz Marc, Chimäre, 1914
Kalkstein, H 12 x L 19,8 x B 8-10 cm
Städtische Galerie im Lenbachhaus München
Dauerleihgabe der Gabriele Münter und Johannes Eichner-Stiftung, München
Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau, München
Maria Marc erinnerte sich, dass Franz Marc in seinen Anatomiekursen auch über die plastische Darstellung imaginärer Wesen sprach: Wir sollten „die Vorstellung bekommen, wie alles Form war, organisch bedingte Form, gewissen Gesetzen zur Folge oder um organischer Bestimmungen willen. So zeichnete er zum Beispiel, wie ein Ohr stets bei Mensch und Tier an der gleichen Stelle sitzt, und zwar da, wo der Augenbogen (das Jochbein) den Schädel berührt, in ihn einmündet, an welcher Stelle er den Eingang zum Gehör zu schützen hat. Er brachte uns Abbildungen berühmter Plastiken, unter anderem der Chimären von Notre Dame in Paris, und zeigte daran, dass dies hier, wie bei allen guten Kunstwerken, zu erkennen sei – und dass bei Kunstwerken, die formal phantastisch und grotesk wirken, der Eindruck durchaus ein lebensnaher bliebe, wenn der organisch richtige und sinnvolle Aufbau zu Grunde läge.“
Franz Marc, Tierkomposition, 1913/14
Tempera auf Bütten, 60,2 x 47,5 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See, Franz Marc Stiftung
Foto: Walter Bayer, München
Schafgruppe ist die erste erhaltene Skulptur von Franz Marc. Sie hat seiner späteren Frau, Maria Franck, bei ihrem ersten Atelierbesuch besonders gut gefallen hat: „Er erzählte mir von seinen Aufenthalten in den Bergen, von seinem Sennerfreund Hans Pacher und wie gern er sich auf der Staffelalm bei Kochel aufhielt und malte,“ erinnerte sie sich, „Besonders freuten ihn die Schafe dort oben. Mir war auch gleich eine Plastik aufgefallen, eine Gruppe von Schafen, liegend und stehend aus getöntem Wachs modelliert, die mir einen großen Eindruck machte. Zwei der Tiere, angeschmiegt an den Erdboden, hatten einen so wunderbar ruhigen Ausdruck; nur liebevolle Versenkung in die Tierseele konnte diese Hingegebenheit wiedergeben.“
Franz Marc modellierte die Schafe nicht nur, er zeichnete sie auch häufig in der Natur. Diese genaue Beobachtung war die Grundlage für seine Schafplastik, die die Tiere in unterschiedlichen Bewegungen und Farben darstellt, die Struktur ihres Fells und die Haltung ihrer Köpfe mit jeweils individuellem Ausdruck zeigt.
Franz Marc, Schafgruppe, 1905
Kohle, Tusche, weiß gehöht auf graugrünem Papier, 26,5 x 36 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See, Franz Marc Stiftung
Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc
Foto: collecto.art
Trotz dieser einfühlsamen Darstellung fand die Schafgruppe zunächst wenig Beachtung. Franz Marc selbst konnte „nicht viel damit anfangen. Sie stand entweder bei Annette oder bei Paul, doch keiner wollte sie eigentlich haben, es war immer etwas Not damit verbunden, sie irgendwie unterzubringen.“ – Heute dagegen gehört die Plastik zu den frühen Werken Marcs, die am eindringlichsten seine besondere Empathie mit dem in seinen Augen unschuldigen und im Gegensatz zum Menschen unverdorbenen Tier bezeugen.
Franz Marc, Schafgruppe, 1905-1907
Wachs auf Holzbrett montiert, H 14,5 cm x L 41,5 cm x T 20 cm
Schloßmuseum Murnau, Foto: Schloßmuseum Murnau
»Gibt es für Künstler eine geheimnisvollere Idee als die, wie sich wohl die Natur in den Augen eines Tieres spiegelt? Wie sieht ein Pferd die Welt oder ein Adler, ein Reh oder ein Hund? Wie armselig seelenlos ist unsre Konvention, Tier in eine Landschaft zu setzen, die unsren Augen zugehört, statt uns in die Seele des Tieres zu versenken, um dessen Bildkreis zu erraten.«
Aufzeichnungen auf Blättern in Quart, 1911/12
Im September 1907 hält Franz Marc sich in Berlin auf und besucht den zoologischen Garten, dem er sich „mehrere Tage vollständig widmen will“, wie er an Maria Franck schreibt, „Für mich ist er voll des Wunderbaren, voll Geist.“ Auf große Blätter und in Skizzenbücher zeichnet er Leoparden, Tiger, Kamele, Affen, Bären. Mit diesen „Momentaufnahmen“ bereitet er ein Tierbilderbuch, „Zoologischer Garten“, vor.
Franz Marc, Dromedare und Bären, 1908
Tuschezeichnung, weiß gehöht, 33,9 x 44 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See
Franz Marc Stiftung, Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc
Foto: Walter Bayer, München
Seine Studien von Bären, die die Tiere in natürlicher Haltung und Bewegung zeigen, sind Ausgangspunkt für eine im Herbst 1907 entstandene Lithographie, die zwei sich spielend umkreisende Bären zeigt.
Franz Marc, Zwei Bären, 1907
Lithographie, 19,5 x 26,5 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See
Franz Marc Stiftung
Diese Kompositionsidee wiederholt Marc einige Jahre später in den Varianten seiner Skulptur „Zwei Bären“ in Bronze und in Stein. Die beiden Tiere sind in einer Bewegung verbunden, die über eine momentane Beobachtung hinausgeht und den Eindruck einer übergeordneten, sie umfassenden Schwingung annimmt. Dies entspricht Marcs Ansatz bei der Skulptur „Zwei Pferde“, deren „Kreisen des Blutes“ er durch die mannigfachen Parallelismen und Schwingungen der Linie ausdrücken wollte.
Franz Marc, Zwei Bären, 1911
Bronze, H 12,7 cm, B 20,8 cm, T 15,8 cm
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
Foto: Punctum/Bertram Kober
Franz Marc modellierte 1911 nicht nur das Modell für den Bronzeguss der „Zwei Bären“; ein Jahr später versuchte er die gleiche Skulptur in größeren Maßstab in Stein zu hauen. Diese Plastik wirkt unvollendet. Details sind nicht ausgearbeitet und es scheint als wäre der Stein an mehreren Stellen gebrochen, so dass Marc die Arbeit aufgeben musste.
Franz Marc, Zwei Bären, 1912
Sandstein, H 27 cm, B 42 cm, T 15,8 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See
Franz Marc Stiftung, Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc
Foto: collecto.art
»Der kleine Rudi hat in Ermangelung deiner seine ganze Liebe auf mich geworfen. Während ich arbeite und herumlaufe, liegt er wie eine Boa auf meiner Schulter u. Abends schläft er auf seinem kleinen Kissen und träumt laut! Was der kleine Katzenkopf für Träume hat, möchte ich auch wissen […]«
Brief an Maria Franck (Sindelsdorf, 8.12.1910)
Katzen haben Franz Marc immer wieder beschäftigt. Er hat sie gemalt, gezeichnet und schließlich auch in Stein gehauen – oder damit zumindest begonnen. Seine 1912 geschaffene “Katze“ in rötlichem Muschelkalk ist Fragment geblieben, auch wenn man die Haltung des sich putzenden Tiers, das seine Hinterpfote in die Luft streckt, gut erkennen kann. Warum hat Franz Marc diese Skulptur nicht beendet? Hatte er Schwierigkeiten bei der Bearbeitung des Steins? Auch die Arbeit an drei anderen Steinskulpturen brach er ab. Nur die vierte, „Chimäre“ wurde fertig gestellt.
Franz Marc, Katze, 1912
Sandstein/Muschelkalk, H 23 cm, B 40 cm, T 22 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See, Franz Marc Stiftung
Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc
Foto: collecto.art
Einige der schönsten Tierbilder Franz Marcs sind Katzen gewidmet und in seinen Skizzenbüchern findet man viele Zeichnungen von Katzen – liegend, spielend, schleichend, sich putzend. Die Katzen im Haus des Schreiners Niggl in Sindelsdorf, wo Franz und Maria Marc seit 1908 weitgehend lebten, boten reiches Anschauungsmaterial. Schon das Plakat von Franz Marcs erster Ausstellung in „Brakls Moderner Kunsthandlung“ in München, 1910, zeigte zwei Katzen. Außerdem entstanden zahlreiche Postkarten, Aquarelle und Zeichnungen des Motivs.
Franz Marc, Zwei Katzen, 1909/10 (Detail)
Farblithographie (Plakat für die Ausstellung in Brakls Moderner Kunsthandlung), 91 x 62,2 cm
Franz Marc Museum, Kochel a. See, ahlers collection
Foto: Walter Bayer, München
Auf dem Gemälde „Mädchen mit Katze“, von 1912 hat Franz Marc das Kätzchen im Zentrum des Gemäldes sogar an den Platz des Christuskindes gesetzt und Maria Marc, die es im Schoß hält, ist zur Madonna stilisiert.
Franz Marc, Mädchen mit Katze II, 1912
Öl auf Leinwand, 71,5 x 66,5 cm
Franz Marc Museum, Kochel a.See, Dauerleihgabe aus Privatbesitz
Foto: collecto.art
Aus den Jahren 1908 bis 1910 findet man in den Skizzenbüchern Franz Marcs zahlreiche Aktzeichnungen. Der Künstler hat sich in dieser Zeit, in die seine Aufenthalte mit Maria Franck in Sindelsdorf und schließlich der definitive Umzug des Paares dorthin fielen, intensiv mit dem Thema Akt auseinandergesetzt und den weiblichen Körper in vielen, oft spontan und natürlich wirkenden Haltungen skizziert. Als Modell diente ihm meist Maria Franck. Schon eine der frühen Lithographien Marcs zeigt zwei sich einander zuwendende Frauenakte.
Franz Marc, Zwei Akte, 1907 (Detail)
Lithografie, 19 x 20,6 cm (Bild), 38 x 44 cm (Blatt)
Franz Marc Museumsgesellschaft mbH
Ankauf durch Freunde des FMM e.V.
Foto: collecto.art
Die Haltung des einen Aktes diente dem Künstler als Vorlage für den Kauernden Frauenakt in Marmor, der nicht vollendet wurde.
Kauernder Frauenakt, um 1911 (unvollendet)
Marmor, H 18,5 x B 13,6 x T 12,5 cm
Franz Marc Museum , Kochel am See
Franz Marc Stiftung, Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc
Foto: collecto.art
Der größere Weibliche Torso, den Marc 1910 in Wachs modellierte und der erst spät nach seinem Tod gegossen wurde, scheint dagegen von dem französischen Bildhauer Auguste Rodin beeinflusst. Dessen monumentales Hauptwerk Höllentor wurde 1885 in Paris gegossen und aufgestellt. Franz Marc mag es bei seiner zweiten Parisreise, 1907, bewundert haben. Die Oberfläche des Wachsmodells seines Weiblichen Torsos hat er mit einer braunen körnigen Patina bearbeitet, so dass das Licht ganz wie bei den Skulpturen Rodins vielfach reflektiert wurde. Auch die Bronzegüsse des Torso zeigen in ihrer lichtvollen Oberfläche die charakteristische sinnliche Wirkung der Skulpturen Rodins.
Franz Marc, Frauentorso, 1910, Guss posthum 1969
Bronze, H 24 x B 15,5 x T 12 cm
Franz Marc Museum , Kochel am See, Franz Marc Stiftung,
Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc, Foto: collecto.art
Am 29. Dezember 1908 schrieb Franz Marc an Maria Franck: „ …ich denke … mit dem kleinen Lot Befriedigung über das, was ich in diesem Jahr gearbeitet habe und mit dem Bewusstsein meines Könnens, zu dem nicht zum wenigsten in diesen Weihnachtstagen eine Pferdegruppe aus Wachs beiträgt, die ich in kurzen 2 Tagen in Pasing modelliert habe – fein, das kann ich Dir schwören. Ich werde jetzt jedenfalls versuche, mir mit Bronze-Plastiken Geld zu machen…“ Die Pferdegruppe, die der Künstler erwähnt, ist ein Modell aus Wachs, das als Grundlage für den Guss in Bronze seiner Zwei Pferde diente.
Nach 1945 wurde das Modell von Marcs Zwei Pferden im Museum in Halle stark beschädigt in einem Karton wiederentdeckt und schließlich einem Restaurator anvertraut, der das fragile Modell wiederherstellte. Tragischerweise wurde es in den letzten Jahren durch einen unglücklichen Besucherunfall im Museum nochmals beschädigt und nur großer restauratorischer Geschicklichkeit und Geduld ist es zu verdanken, dass das Wachsmodell der Zwei Pferde in der aktuellen Ausstellung zu Franz Marcs Skulpturen noch bis Ende September im Franz Marc Museum zu sehen ist.
Franz Marc, Zwei Pferde (Modell), 1908/09
Wachs, H 16,2 cm x T 16 cm
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg
Foto: Punctum/Bertram Kober
Nur zweimal wurde die kleine Skulptur zu Lebzeiten Marcs gegossen. Die übrigen Güsse entstanden später, obwohl Marc doch die Absicht hatte, mit Bronzeplastiken „Geld zu machen“. Das Modell, das er in nur zwei Tagen modelliert hatte, wurde von Maria Marc mit anderen Werken Franz Marcs 1928 an das Kunstmuseum Moritzburg verkauft, das von Alois Schardt geleitet wurde, der als einer der ersten deutschen Museumsdirektoren zeitgenössische Kunst für seine Sammlung erwarb. Er verfasste die erste Monographie Franz Marcs, die im Nationalsozialismus jedoch nicht erscheinen konnte. Die Werke Marcs in den deutschen Museen fielen der Aktion „Entartete Kunst“ zum Opfer. Alois Schardt musste Deutschland verlassen und ging in die USA.
Franz Marc, Zwei Pferde, 1908/09, posthum 1928
Bronze, H 16 cm, L 16,2 cm, T 16,2 cm
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg
Foto: Punctum/Bertram Kober
Der zusammengerollt schlafende Panther ist eigentlich ein Tiger, wie man an seiner breiten Schnauze und den im Fell angedeuteten Streifen sieht. Das 1908 entstandene kleine Modell in Wachs wurde niemals in Bronze gegossen und es wird im Franz Marc Museum das erste Mal öffentlich gezeigt, da es bisher im Nachlass Maria Marcs übersehen wurde.
Franz Marc, Panther, 1908–09
Wachs, H 5 cm, B 10 cm, L 8 cm, Franz Marc Museum, Kochel a. See
Franz Marc Stiftung, Dauerleihgabe der Erbengemeinschaft nach Maria Marc
1908 modellierte Franz Marc einen zweiten, sitzenden Panther in einer Haltung voller Spannung. Das Raubtier blickt nach hinten, wie zum Sprung bereit.
Franz Marc, Der Panther, 1908, posthum 1928
Bronze, H 9,5 cm, B 12,2 cm, T 10,3 cm
Kulturstiftung Sachsen-Anhalt, Kunstmuseum Moritzburg Halle (Saale)
Genau diese Haltung nimmt der Tiger auf einem der berühmtesten Gemälde Franz Marcs ein, dass 1912 entstand, wie der Holzschnitt gleichen Titels, der in der Ausstellung neben der Skulptur zu sehen ist.
Wie kommt es, dass für die Plastik der Titel Panther überliefert ist? – Vielleicht weil man bei ihrer Betrachtung unwillkürlich an das 1902 veröffentlichte berühmte Gedicht Rainer Maria Rilkes Der Panther denkt, dessen zweite Strophe so gut zu Franz Marcs Skulptur zu passen scheint:
Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.
Tiger (Detail), 1912, Holzschnitt auf Japanpapier, 20 x 23,9 cm,
Franz Marc Museum Kochel a. See, Stiftung Etta und Otto Stangl