23. November 2025 bis
12. April 2026
Vor 120 Jahren wagte eine Gruppe junger Künstler den Aufbruch in die Moderne. Mit leuchtenden Farben, radikal vereinfachten Formen und einer neuen, subjektiven Ausdruckskraft suchten sie nach einem unverstellten Zugang zur Welt. „Wir wollen unmittelbar und unverfälscht das wiedergeben, was uns zum Schaffen drängt“, formulierte Ernst Ludwig Kirchner im Programm der Künstlergemeinschaft Brücke von 1906.
Die in Dresden gegründete Gruppe um Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl, später erweitert um Max Pechstein und Otto Mueller, wurde zum Symbol eines radikalen Neuanfangs in der deutschen Kunst. Ihr gemeinsames Ziel war es, die Distanz zwischen Kunst und Leben zu überwinden, durch Spontaneität, Farbe und eine neue Unmittelbarkeit des Ausdrucks.
Die Ausstellung zeichnet in thematisch gegliederten Kapiteln die charakteristischen Facetten dieser Bewegung nach. Sie beleuchtet, wie sich der kulturkritische Anspruch der Künstler*innen in ihrer Suche nach Freiheit, Natürlichkeit und Intensität des Erlebens ausdrückte und wie sie mit ihren Werken die starren Konventionen der wilhelminischen Kunst hinter sich ließen. Von den vitalen Aktdarstellungen der frühen Dresdner Jahre bis zu den von der Dynamik und Widersprüchlichkeit der Großstadt geprägten Szenen der Berliner Zeit zeigt sich das Ringen um eine neue Einheit von Kunst und Leben.
Die Faszination des Ursprünglichen führte zugleich zur intensiven Auseinandersetzung mit außereuropäischer Kunst und Kultur, die den Künstlern als ästhetisches und spirituelles Vorbild diente. Aus heutiger Perspektive erscheint dieser Blick jedoch auch als Ausdruck einer unreflektierten Aneignung kolonial geprägter Bilderwelten. Ebenso werfen manche ihrer Werke – etwa Darstellungen kindlicher Modelle – Fragen nach Grenzüberschreitungen und Geschlechterrollen auf, die im historischen Kontext kritisch zu beleuchten sind.
Mit rund 60 Arbeiten, Gemälden, Zeichnungen, Skulpturen und grafischen Werken, beleuchtet die Ausstellung die Anfänge einer Bewegung, die Kunst und Leben untrennbar miteinander verband. Zugleich lädt sie dazu ein, das Erbe der Brücke neu zu betrachten: als Ausdruck eines radikalen Aufbruchs, dessen schöpferische Energie wie auch seine Widersprüche bis in die Gegenwart wirken.
Werke
Audioguide
Wilde Farben,
freier Geist
Mit dem Audioguide zu Wilde Farben, freier Geist. 120 Jahre Brücke erfahren Besucher:innen, wie die Brücke Farbe, Form und Holzschnitt neu denkt und damit die Moderne prägt. In rund 25 Minuten führen ausgewählte Stationen durch zentrale Werke und verbinden kunsthistorische Einordnung mit einem kritischen Blick auf Freiheitsentwürfe und Widersprüche der Künstlergruppe
Kabinettausstellung
Henri Matisse. Jazz
Henri Matisse’ Künstlerbuch Jazz gehört zu den ikonischen Bildfolgen der Moderne und ist gleichzeitig erstaunlich selten im Original zu sehen. Das Franz Marc Museum zeigt ein von Matisse signiertes Exemplar mit 20 farbintensiven Tafeln, in denen Zirkus, Reisen, Märchen und Mythologie in radikal vereinfachte Formen übersetzt sind. Matisse arbeitete dafür nicht mit Zeichnung im klassischen Sinn, sondern mit Scherenschnitten: Er bemalte Papier in leuchtenden Farben, schnitt daraus Formen und montierte sie zu Kompositionen, die anschließend im Pochoir-Verfahren gedruckt wurden. „Zeichnen mit der Schere“ nannte er diesen Prozess, ein Verfahren, das das illustrierte Buch neu denkt: nicht Text plus Bild, sondern eine Bildfolge mit eigenem Rhythmus und eigener Logik.
Der Titel Jazz weckt Assoziationen von Musik, Bewegung und Lebensfreude und tatsächlich wirken die Tafeln mit ihren leuchtenden Farben, geschwungenen Linien und Wiederholungen wie visuelle Improvisationen. Gleichzeitig ist das Buch in einer extrem belasteten Situation entstanden: während der deutschen Besatzung, mit kriegsbedingter Trennung und Gefahr für Matisses Familie und nach einer schweren Operation, die ihn körperlich stark einschränkte. Viele Motive sind daher doppelt codiert: Figuren wie Ikarus, Clown oder Messerwerfer stehen zugleich für Zirkuswelt, mythologische Stoffe und eine Realität von Bedrohung, Verwundung und Absturz. Hinter der scheinbar heiteren Oberfläche liegt ein Grundton von Gefahr, Verlust und Todesnähe.
Für die Betrachtenden heißt das: Jazz lässt sich weder als bloßes „Farbfest“ noch als versteckter Kriegsbericht lesen, sondern als Bildraum, in dem Widersprüche gleichzeitig präsent sind. Matisse reagiert auf Krieg, Krankheit und Angst nicht mit dokumentarischen Szenen, sondern mit hochartifiziellen, farbstarken Bildern, die Erinnerung, Schmerz und Freude miteinander verschränken. Der Titel verweist dabei weniger auf ein konkretes Musikereignis als auf ein Arbeitsprinzip: rhythmische Variation, Improvisation, das produktive Nebeneinander von Dissonanz und Harmonie – in Farbe, Form und Motiv.
Werke
Matisse-Mitmach-Raum
Unser Mitmachraum lädt Besucher*innen jeden Alters dazu ein, spielerisch in das Werk und die Kompositionsprinzipien von Henri Matisse einzutauchen. Hier können unterschiedliche Formen, Ausschnitte und Farbflächen frei kombiniert, verschoben und neu zusammengesetzt werden. Der Raum schafft eine offene Atmosphäre, in der experimentiert werden kann – intuitiv, eigenständig und ohne Vorgaben. So entsteht ein kreativer Zugang zu Matisses Denken in Farbe und Form, der sowohl Kindern als auch Erwachsenen neue Perspektiven eröffnet.