Zwischen Kunst und Marketing:
Zooplakate um 1900

Ein Flamingo, leuchtend pink vor schwarzem Hintergrund – und ein Blick, der mitten ins Stadtleben des frühen 20. Jahrhunderts führt: Die Plakate von Ludwig Hohlwein sind mehr als Werbung. Sie sind Symbole einer Zeit, in der Kunst und Konsum, Technik und Tierbegeisterung ineinander übergingen.
LOLA JEANNES
Hat der Flamingo auf dem Plakat für den Zoologischen Garten in München Ihre Aufmerksamkeit erregt? Dann hat der Illustrator Ludwig Hohlwein (1874–1949) bereits ein wichtiges Ziel erreicht…
Die Ausstellung Die Moderne im Zoo zeigt eine große Vielfalt an Medien, die Aufschluss geben über die Geschichte zoologischer Gärten um 1900. Ihre Gründung zog die Werbung für diese neuen Orte nach sich. Plakate halfen dabei, Zoos zu unumgänglichen und beliebten Orten zu machen, Neugier zu wecken und Besucherinnen und Besucher in Scharen anzuziehen. Im sozialen und kulturellen Umfeld der Jahrhundertwende gaben Plakat die Realitäten wie auch die Fantasien der Zeit wieder – einer Zeit, die von großen technischen Fortschritten geprägt war, ebenso wie vom Aufkommen der Konsumgesellschaft. Das Poster ist sowohl Kunst als auch Gebrauchsgegenstand und untrennbar mit der Attraktivität des Zoos um 1900 verbunden
Der „Münchner Plakatkönig“ Ludwig Hohlwein
Der Illustrator Ludwig Hohlwein war als „Münchner Plakatkönig“ bekannt, er hatte aber auch weit über die Stadtgrenze hinaus einen Ruf als herausragender Gebrauchsgrafiker. Der ausgebildete Architekt entwarf Designs für kommerzielle Anzeigen, Einladungskarten und Programme, unter anderem für den Münchner Spiegelpalast. Sein Talent wurde schnell entdeckt und sein Name zu einer Referenz in der Welt der Werbegrafik. Später wurde er jedoch auch zu einem der wichtigsten Plakatgestalter der NSDAP.
Seine Werke zeichnen sich durch eine starke Reduktion in Motivik und Farbgebung aus, die die Modernität seiner Entwürfe ausmacht und für viele zum Vorbild wurde.1 Beim Plakat für den Zoologischen Garten München – gemeint ist der 1911 gegründete Tierpark Hellabrunn – arbeitete Hohlwein mit der Darstellung eines einzelnen Flamingos als Inbegriff der im Zoo zu begegnenden ‚exotischen‘ Tierwelt. Er verwendete einen starken Farbkontrast zwischen dem monochrom-schwarzen Hintergrund und dem leuchtend rot-pinken Tier, um Aufmerksamkeit zu erregen.

Ludwig Hohlwein, Zoologischer Garten München, 1912
Ähnlich arbeitete er auch bei anderen Plakaten für den Tierpark Hellabrunn aus dieser Zeit, etwa im Entwurf seiner zwei Leoparden 1912.2 Das Motiv der beiden Tiere – im Vordergrund ein sitzender gefleckter Leopard, hinter dem ein schwarzer Panther mit leuchtend grünen Augen lauert – war so beliebt, dass es später (bis in die 1960er-Jahre) als Logo des Zoos verwendet wurde. Seinerzeit waren Hohlweins Plakate radikal modern und dürften auf Litfaßsäulen neben den üblichen verschnörkelten Jugendstilplakaten sofort aufgefallen sein.
Die Verwendung des Plakats
Um 1900 erhielt die Werbung eine neue Bedeutung infolge der Industriellen Revolution und Massenproduktion. Das Plakat wurde zum neuen Werbemedium, das die städtische Öffentlichkeit erreichte und dem wirtschaftlichen Wettbewerb sowie der künstlerischen Bildung diente. Die zunehmende Automatisierung der lithografischen Druckverfahren führte zum Einsatz des Farbdrucks in hohen Auflagen. Die Werbung verließ allmählich die Seiten der Printmedien und ging im öffentlichen Raum direkt auf die Passanten zu. Plakate wurden zu einem effektiven Kommunikationsmittel, das dank seiner visuellen Wirkung ein breites Publikum, darunter auch Analphabeten, erreichen konnte.
Plakate erfüllen verschiedene Zwecke: Sie können kommerziell sein, um für ein Produkt, eine Marke oder ein Unternehmen zu werben, aber auch politisch, um soziale Kampagnen oder Propaganda zu unterstützen. Die größten Erfolge erzielte das Plakat in dieser Zeit jedoch im Bereich Kultur und Freizeit. Verleger, Buchhändler und Theaterdirektoren griffen massiv auf dieses Medium zurück, um das Publikum anzuziehen.3
Die Modernität der Plakate Hohlweins für den Tierpark Hellabrunn
Was die Plakate von Hohlwein so modern macht, ist das Streben nach Reduktion: eine große, ausdrucksstarke Figur, leuchtende Farben und eine schnelle Verständlichkeit.4 Die Plakate verschafften dem Tierpark Hellabrunn Sichtbarkeit als eine neue und absolut moderne Institution der Stadt. Sie weckten durch die Wahl seltener, nicht-europäischer Tiere Neugier und lockten so Besucherinnen und Besucher in den Tierpark. Seine Plakate trugen mit dazu bei, dass Hellabrunn schnell an Bekanntheit gewann und zu einer der wichtigsten, überregional geschätzten Sehenswürdigkeiten der Stadt aufstieg.
Hans Kuh, „Hohlwein, Ludwig“ in: Neue Deutsche Biographie 9 (1972), S. 506–507, online unter: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118746812.html#ndbcontent (Zugriff am 6. Oktober 2025)
Tiergarten Nürnberg, „Kunst im Tiergarten Nürnberg“, PDF-Broschüre, 2019, S. 10, online unter: https://tiergarten.nuernberg.de/fileadmin/dokumente/Entdecken/Broschuere-Kunst-TgN_2019.pdf (Zugriff am 6. Oktober 2025)
Marc Martin, De l’affiche à l’affichage Sur une spécificité de la publicité française. Le Temps des médias, S.62, online unter: https://shs.cairn.info/revue-le-temps-des-medias-2004-1-page-59 (Zugriff am 6. Oktober 2025)
Peter Forster, „Plakatkunst um 1900“, Museum Wiesbaden, Webseite, online unter: https://museum-wiesbaden.de/plakatkunst-um-1900 (Zugriff am 6. Oktober 2025)
Diese Story entstanden im Rahmen des Seminars „Die Moderne im Zoo. Exotismus, Ethik und Evolution um 1900“ an der Ruhr-Universität Bochum. Sie wurden von Studierenden erarbeitet.
Das Seminar wurde durchgeführt von Dr. K. Lee Chichester und Jessica Keilholz-Busch.